Wehmütiges mit Lachträne im Auge



Botschaft von Herman van Veen scheint nicht zu altern / Stilvielfalt der virtuosen Musiker begeistert

Von unserer MitarbeiterinSusanne Ehrlich Verden. Liedermacher, Poet und Philosoph ­ Herman van Veen stellte seiner Generation mit unnachahmlich empfindsamen Texten und Weisen ein ganzes Wörterbuch der zwischenmenschlichen Nähe zur Verfügung. Doch was das hingerissene Publikum in der Verdener Stadthalle in drei prall gefüllten Stunden erlebte, war mehr. Mal Entertainer oder Clown, mal Schauspieler oder Spinner, mal albernes, mal trauriges Kind: Die Gesichter van Veens sind nicht zu zählen. Ist dieser Mann wirklich ein Mittfünfziger? Schwerelos, gelenkig, in grotesken Verrenkungen oder tänzelnder Koketterie tobt er über die Bühne, um dann plötzlich ganz ruhig zu werden: Mitten aus der Tollerei versetzt ein stilles Lied die Hörer, die Lachtränen noch in den Augen, in wehmütige Träume. Seine Lieder klingen wie „damals“. Doch sein Publikum lässt sich in keine Kategorie des Alters, des Geschlechts, des sozialen Kontextes einordnen. Nur eines lässt sich feststellen: Was diesem Man!

n im ausverkauften Saal entgegenschlägt, ist echtes Gefühl. Seine Fans lieben ihn, haben sich auf ihn gefreut und feiern ihn. Auch die Siebzehnjährigen, denn seine Botschaft scheint nicht zu altern. In seiner Tour „Was ich dir singen wollte“ erzählt van Veen Geschichten aus einem Menschenleben. Kindheitserinnerung, erste Liebe, Erfolg und Misserfolg, Lebenslust und Ängste, Verzweiflung und Ermutigung: Alles ist drin, alles passiert, jedes Gefühl ist erlaubt. Und so kann sich jeder wiederfinden in dieser Welt, die so gar nicht heil ist und trotzdem wunderschön. Jeder wird mit seinen eigenen Erfahrungen zu einem Teil des Ganzen, fühlt sich persönlich angesprochen. Seine Lieder ergreifen immer Partei, verurteilen aber nicht. „Kyrie Eleison“ singt er, erbittet Erbarmung für die Opfer des Krieges wie für seine Betreiber, für die Hungernden wie für die Geizigen, für die Betrogenen wie für die Korrupten. Und das Tollste an diesem hinreißend schön gesungenen, mit den bemerkenswerte!

n Frauenstimmen seiner Crew aufstrahlenden Gebet: Man glaubt es ihm! A

uch wer seit Bob Dylan für niemanden mehr die Hand ins Feuer legen mag, könnte hier eine Ausnahme machen: Van Veen hat keine „Aktien in der Rüstungsindustrie“. Die Musiker, mit denen er sich umgibt, haben allerhand aufzuweisen, Auszeichnungen und hoch dotierte Produktionen. Erik van der Wurff (Piano), Edith Leerkes (Gitarre), Maria-Paula Majoor (Violine) und Wieke Garcia (Harfe, Percussion), sie alle haben vielversprechende Karrieren hintangestellt, um mit ihm zu touren. Man spürt auch bei ihnen die Faszination, die von vanVeen ausgeht, die ansteckende Musizierfreude. Jeder von ihnen bringt eigene musikalische Einflüsse mit: Klassische Element, neue Musik, Jazz, keltische, galizische und lateinamerikanische Einflüsse: Begeisternde Stilvielfalt und das unbefangene Feuer freien Musikantentums klingen aus den Instrumentalnummern, bei denen die Post abgeht. Und wie sie mitspielen: Die kleinen Szenen und Sketche, die musikalischen Clownerien wirken improvisiert und natürlich, jed!

er zeigt unbefangen seine verschiedenen Gesichter, jeder schlägt Funken aus seinem Instrument. Da kommt es leicht mal zu einem heftigen Gefecht zwischen van Veen, selbst virtuoser Geiger, und seiner Kollegin an der Violine: Die Geigenbögen schlagen zusammen, dass das Kolophonium staubt. Au weia, was für Leidenschaft!Van Veen ist Profi im besten Sinn desWortes. Seine Show ist perfekt durchdacht, aber immer bezaubernd. Für seine Auftritte stellt er klare Anforderungen an die Veranstalter; gute Ergebnisse brauchen eben gute Bedingungen. Doch in all dieser Professionalität nicht eine Spur von Arroganz, keine Überheblichkeit, keine kalte Routine. Im Gegenteil: Er scheint fast überrascht von der Hingabe seines völlig aus dem Häuschen geratenden Publikums, schenkt ihm am Ende so viele Zugaben, dass sich die Halle erst gegen 23 Uhr leert. --------------- Diesen Artikel liefert Ihnen Ihr Nordwest Net. http://www.nordwest.net