Rund

Falsch verkauft: Herman van Veen

Vom Zwang der leisen Lieder

00 feb 1974

Der Radioredakteur vom WDR reibt sich die Augen als er auf die Kölner Litfaßsäule schaut : am selben Abend gibts Andre Heller und Hermann van Veen - in zwei Konzertsälen. In Frankfurt kann sich der Passant solange die Augen reiben wie er will: er entdeckt van Veen nirgends.



Die im Dezember absolvierte zweite Rundreise des niederländischen Poeten und Sängers Hermann van Veen, 29, ist vom Hamburger Jazz-Veranstalter Karsten Jahnke unglücklicherweise zu eben der seit langem avisierten Heller-Tournee arrangiert worden. Zwei Begabungen, die das gleiche Auditorium ansprechen - sie nahmen sich gegenseitig das Publikum weg. Was in Sachen gehobenen Entertainments mit literarischem und musikalischem Anspruch sowieso nicht zu Häuf wie bei Peter Alexander zu strömen beginnt. Außerdem war die Reklame schlecht. Und eine Stadt wie Frankfurt zum zweiten Male auszulassen, heißt das Veranstalterhandwerk nur Schlecht zu beherrschen oder eben auf ausgebuchte Säle zu treffen.

?Gleichwohl wie auch immer: der Zwang der leisen Lieder des holländischen Allroundkünstlers, des Sängers, Parodisten, Geigers und, wie er sich selbst nennt, Crazyshowmans, es einem großen Hörerkreis zugänglich gemacht zu werden.

Zwei Schallplatten der Polydor gibt es -eine im Studio, die andere live (mit fast demselben Programm) - die vorzüglich vorzeigen, was Hermann van Veen kann: verzaubern. Sein Lied "Ich hab' ein zärtliches Gefühl'1 - Titel auch der Longplay - ist bezeichnend: Geige. Gestrichen. Gezupft-getupft. Elektrisches Klavier. Gitarre. Sie schaffen einen samtenen Sound rund um die Stille, die van Veens Vorträge erzeugen.
Behutsam läßt er die Worte über die Lippen. Jedes ausgekostet. Dabei destilliert er keine wohlklingenden Lyrismen. Er vitalisiert die zerbrechlichen Sätze ... mit der Zeit geht alles in die Brüche." Wenn er dies mit einem leicht angesungenen Falsettansatz vorträgt, wird die Heilheit seiner Poesie brüchig in Frage gestellt. Er übersetzt den Wortsinn in Stimme und Stimmung. Sprachkultur. Er füllt seine Poesie prononciert aus, betont richtig; wenn er vom 'Gehen' singt, gehen seine Worte wirklich. Die Studio-Longplay der Polydor hat in der Innentasche die Veen-Verse abgedruckt. Die Live-Longplay "Inzwischen alles Gute" zeigt die Reaktionen des Publikums. Ich hab' ein zärtliches Gefühl mit van Veen auf Polydor 2480178 DM22,-
Inzwischen alles Gute mit van Veen auf Poly dor 2374116 DM15,-